Köln: 22.–23.05.2024 #polismobility

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NEUE MUSTER FÜR DIE STADT

MIT DESIGN UND FARBE WANDEL VERMITTELN

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Die Rolle zivilgesellschaftlicher Mitgestaltung in raumprägenden Stadtentwicklungsfragen geht über die Akzeptanz von Maßnahmen hinaus, in die aktive visuelle Bildgebung von Räumen und deren funktionale vielschichtige Neuinterpretationen. Stadträume wirken bei den Interventionen als Medium, wobei Farbe und Design für die Aktivierung und Kommunikation des Wandels eine besondere Rolle zukommt.

Das Kunstwerk überdeckt die Fahrbahn des Mainkai, der zwischen dem Eisernen Steg (rechts) und dem Weg zum Römerberg (links) entlangführt. © Cornelius Pfannkuch

Das Kunstwerk überdeckt die Fahrbahn des Mainkai, der zwischen dem Eisernen Steg (rechts) und dem Weg zum Römerberg (links) entlangführt. © Cornelius Pfannkuch

Mit experimentellen Rauminterventionen bleibende Reize zu setzen, dafür steht Tactical Urbanism. Bei dieser Form der Planung werden experimentelle Rauminterventionen von Stadt und Zivilgesellschaft gleichermaßen zugelassen, um dort über die Aktion, also die zeitlich befristete Billigung von spontanen Umwidmungen dauerhafte Lösungen von Planungsaufgaben zu finden. Temporäre Fahrradwege, Verkehrsberuhigung, bunte Fußgängerüberwege, die Umwandlung von Parkplätzen in Pop-up-Parks – um solche und weitere Aktivitäten bzw. die für die Umsetzung genutzten Techniken und Strategien geht es bei Tactical Urbanism, einem bürgernahen und unmittelbaren Planungstool für strittige Raumfragen sowie menschenzentrierte Stadtentwicklung.

© Florian Wiegand

© Florian Wiegand

Hierbei spielen kreative Designs der Raumgestaltung und visuelle Kommunikation eine zentrale Rolle. Transformationsprozesse und neue Raumkonfigurationen werden über positive Reize von Farbe, Möblierung und Begrünung vermittelt; Zukunftslust durch Eigeninitiative und Identifikation über Gestaltung erzeugt. Barcelonas Superblocks oder Mailands Piazze Aperte bringt man unweigerlich mit farbigen Designs und kreativer Möblierung in Verbindung – die gelben Dreiecksmuster der Superblocks sind grafisches Symbol für die Zurückgewinnung von Straßenraum geworden.

In Frankfurt am Main sorgt das Kollektiv TAB e.V. mit großformatiger farblicher Inszenierung von Stadt- und vor allem Straßenräumen für transformatives Design und neue Wahrnehmung von Orten.

Sportturniere – hier Streetball – waren belebende Anlässe des „Sommer am Main“; die Spielfelder waren ins Design integriert.

Sportturniere – hier Streetball – waren belebende Anlässe des „Sommer am Main“; die Spielfelder waren ins Design integriert. © Florian Wiegand

Das Kollektiv entstand 2015 aus einer Initiative von Kreativen, Gastronomen und Engagierten heraus, mit dem Ziel, dem Bahnhofsviertel in Frankfurt zu einem neuen Image zu verhelfen. Mittlerweile sind die Mitglieder an diversen Orten aktiv, wo auch immer ein kreativer Impuls zu neuem Raumverständnis verhelfen soll. Den Kern bilden der Gastronom James Ardinast, Initiator der IMA Clique, Amin Baghi, Agenturchef von esistfreitag sowie der Artist-Manager Florian Joeckel, Initiator der guilty 76 Street Guerilla – deren Aktionen aufmerksamen Tour-de-France-Beobachter:innen bereits begegnet sein sollten. Joeckel hat zudem mit der Zwischennutzung einer ehemaligen Druckerei, dem Massif Central, in Frankfurt am Main einen zwanglosen Begegnungsort geschaffen, der Ateliers und eine Rennradbar beheimatet und Raum bietet für Events, Märkte und spontane Ideen.

Mit dem „Sommer am Main“ hat die Stadt Frankfurt ein als bürgernahes Stadtraum-Festival konzipiertes Experiment durchgeführt, bei dem der Mainkai über acht Wochen hinweg für den Autoverkehr gesperrt und programmatisch bespielt wurde. Neben Sport-Events und Tanzanlässen wurden auch partizipative Transformationsfragen der künftigen Stadtentwicklung Frankfurts in Workshops thematisiert. Das politische Ziel der dauerhaften Sperrung und Umwidmung der innerstädtischen Uferstraße sollte damit den Bürger:innen nahegebracht werden.

An der Gestaltung der Fahrbahn waren auch Schüler:innen beteiligt.

An der Gestaltung der Fahrbahn waren auch Schüler:innen beteiligt. © Cornelius Pfannkuch

Zu Beginn bemalten Schüler:innen den Straßenraum zum Urban Sports Park, nach dem Design von Desres Design Studios und gemeinsam mit den Initiator:innen von TAB e.V. und STABIL e.V. sowie Guilty76 Street Guerilla und Massif Central. Diese hatten an die Stadt im Vorfeld die Idee und das Angebot herangetragen, eine solche Aktion zu tragen und zu finanzieren. In das Design des dabei entstandenen 300 m langen Street-Art-Kunstwerkes wurden Schachbretter, Fuß- und Streetball-Courts integriert und das Logo der Eintracht Frankfurt, als Hommage an den Europa-League-Sieg und die frenetische Stimmung in der Stadt im Mai 2022. Der farbige Stadtraum war von nun an ein aktivierender Ort für Sport-, Spiel und Kulturerlebnisse, und natürlich: Instagram-Motiv. Selbst der SGE-Trainer Oliver Glasner nutzte dies für ein Selfie – so erreichen derlei Aktionen weitere Multiplikation für Reichweite und Akzeptanz. Die Umsetzung dieses Street-Art-Projektes, das in Dimension und Gestaltung globale Benchmarks wie Santiago oder New York herausfordert, wurde operativ von PROPROJEKT unterstützt.

Unser Antrieb ist, das Stadtbild aktiv geiler zu machen: Aus der leeren Straße ist etwas Lebendiges geworden, mit einer Aufmerksamkeit, einer Streitbarkeit, und so funktioniert Intervention.

Florian Joeckel

© Cornelius Pfannkuch

Nun, da die Autos wieder rollen und die verbleichenden Farben abtragen, kehrt die Rationalität zurück in das Resümee und die Evaluation; so heben sich Stimmen aus dem linksmainischen Sachsenhausen – über dessen Straßen ein Gutteil des Autoverkehrs umgeleitet wurde – die über die Mehrbelastung der Straßen klagen. Empirisch fundierte Erkenntnisse stehen allerdings noch aus. Wenn auch die spürbare Belebung des für Pkw gesperrten Raumes jeweils mit den Aktionen zusammenhing, ist die Wirkung des Designs als bildgebende Komponente nicht allein an den Zeitraum und Ort der Aktion gebunden, sondern erzeugt in den sozialen Medien, in Stadtmagazinen, Zeitungen und eben auch Fachmagazinen einen nachhaltigen Effekt für die Lust auf aktive Stadtgestaltung. Bei der Umgestaltung vormals monofunktionalen Verkehrsraumes, für die aktivierende Inszenierung des Raumes, für die akzeptanzstiftende Wirkung von Motiven und die identitätsstiftenden Impulse durch persönliche Mitgestaltung kommt Farbe und Design eine wirkungsvolle Kommunikationsrolle bei Tactical-Urbanism-Interventionen zu.

Autor

Michael Müller