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COMMUNICATION IS KEY

WENN VERKEHRSTEILNEHMER MITEINANDER SPRECHEN

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Die Echtzeitkommunikation zwischen Vehikeln untereinander und mit der Infrastruktur, Netzwerken, Straßen und Personen mittels V2X-Technologie könnte künftig viele Vorteile für die Mobilität bringen.

Moderne Technologie sorgt für einen Austausch in Echtzeit. © Veniam

Moderne Technologie sorgt für einen Austausch in Echtzeit. © Veniam

Wenn von autonomem Fahren die Rede ist, besteht kein Zweifel an der Notwendigkeit einer ausgeklügelten Kommunikation zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmer:innen. Doch auch heute, vermutlich einige Jahre von einer flächendeckenden autonomen Infrastruktur entfernt, kann eine umfangreiche Vernetzung gravierende Vorteile bieten. Hierbei geht es vor allem um Sicherheit und Effizienz.

Alle Welt spricht vom autonomen Fahren. Während der US-amerikanische Elektroauto-Riese Tesla das Ziel der Vollautomatisierung seiner Fahrzeuge primär durch den Einsatz von Kameras zu erreichen versucht, legen asiatische und europäische Hersteller den Fokus eher auf LIDAR-Technologien. Doch bei beiden Varianten steht fest: Ohne die Ausstattung der Fahrzeuge mit Möglichkeiten zur verlässlichen Echtzeitkommunikation wird die nächste Autonomiestufe nicht erreicht werden können. Von der Vehicle-to-Everything (V2X)-Technologie können alle Verkehrsteilnehmer:innen profitieren, ob im Pkw selbst, im Einsatzfahrzeug, im Bus oder auf dem Fahrrad. Sie setzt sich zusammen aus der direkten Vernetzung von Fahrzeugen mit anderen Fahrzeugen (V2V), mit der Infrastruktur (V2I), Netzwerken (V2N), Straßen (V2R) und Personen (V2P).

Die Funktionsweise von V2X fußt auf Echtzeitdatenübertragung. War es Fahrzeugen bisher nur möglich, über die Mobilfunknetze miteinander zu kommunizieren, die in ihrer Geschwindigkeit und Funktionalität maßgeblich von der Auslastung abhängig sind, soll die Übertragung von Fahrzeug zu X ohne jegliche Verluste vonstattengehen. Möglich macht das einerseits die auf dem WLAN-Standard 802.11p basierende ITS-G5-Technologie, andererseits der auf dem 3GPP-Standard beruhende Cellular-V2X- Ansatz. Diese weichen in ihren technologischen Spezifikationen voneinander ab, lassen sich von Laien aber nicht unterscheiden und erzielen dasselbe Ergebnis: Am Steuer des Fahrzeugs lassen sich Echtzeitinformationen über Verkehrshindernisse, Unfälle oder sich nähernde Einsatzfahrzeuge abrufen.

Das intelligente Verkehrssystem

Viele der brenzligen Situationen, denen sich „schwächere“ Verkehrsteilnehmer ausgesetzt sehen, könnten durch eine intelligente Kommunikation abgewendet werden. Nicht nur im dichten Berufsverkehr, sondern auch in periphereren Gebieten mit schlecht einsehbaren Kurven passieren die meisten fatalen Unfälle mit Radfahrenden – laut ADFC jährlich zwischen 30 und 40 in Deutschland – beim Rechtsabbiegen großer Fahrzeuge. Mithilfe der V2X-Technologie kann das Smartphone der Radfahrer:in schon Sekunden vor der Kreuzung ein Signal an die Software des bald abbiegenden Lastwagens senden, damit dieser vorgewarnt ist und bremsen kann. In weiteren Stufen der Automatisierung könnte das Fahrzeug sogar automatisch ausweichen oder abbremsen. Hierbei wird auch der Vorteil deutlich, den die Vorab-Kommunikation gegenüber Radar-, Ultraschall- und Kamera- Sensorik innehat: Die Algorithmen sagen die kritische Situation bereits voraus, bevor sie überhaupt eintritt.

Auch das Parkraummanagement ist ein Anwendungsbereich für die Kommunikationstechnologie. Eine Vernetzung von Fahrzeugen und Parkflächenbetreibern kann dafür sorgen, dass Informationen über freie Parkplätze direkt ins Cockpit gespielt werden, wodurch der „Suchverkehr“ deutlich eingeschränkt werden kann und dadurch auch der Schadstoffausstoß. In einem späteren Automatisierungsgrad wird von „Automated Valet Parking“ gesprochen, wobei das Auto an einem vordefinierten Punkt verlassen und wieder abgeholt werden kann – der Autopilot übernimmt den Rest, stets in Kommunikation mit dem Parkhaus.

Ebenfalls in die Kategorie der Komfortdienste fällt die effiziente Routensteuerung durch V2X-Kommunikation, durch die sowohl Autofahrer:innen als auch das Verkehrssystem entlastet werden können. Dienste wie etwa Green Light Optimal Speed Advisory sorgen für einen Informationsaustausch zwischen Ampel und Fahrzeug und empfehlen der Person am Steuer die optimale Geschwindigkeit, um während einer Grünphase an der nächsten Ampel einzutreffen. Auf diese Weise werden abrupte Bremsungen verhindert, die teils lange Rückstaus nach sich ziehen – sowie die Nutzungseffizienz des urbanen Raums erhöht. Auch kann die dynamische Routenführung durch die Echtzeitkommunikation optimiert werden, da Informationen über vielbefahrene Straßen nicht erst durch das Mobilfunknetz ans Navigationssystem gesendet werden, sondern in Sekundenschnelle von Fahrzeug zu Fahrzeug.

Mittels V2X-Kommunikation stehen Fahrzeuge sowohl untereinander als auch mit ihrer Umwelt in Kontakt. Die Kommunikation soll sowohl Sicherheit als auch Effizienz im Straßenverkehr erhöhen. © Bosch

Mittels V2X-Kommunikation stehen Fahrzeuge sowohl untereinander als auch mit ihrer Umwelt in Kontakt. Die Kommunikation soll sowohl Sicherheit als auch Effizienz im Straßenverkehr erhöhen. © Bosch

Das Problem mit den Daten

In der modernen, smarten Stadt kann die Vernetzung der urbanen Mobilität durch die V2X-Technologie zu einem Zugewinn an Sicherheit und Komfort für Bürger:innen und zu einer Entlastung des Verkehrsraums führen. Wo die Liste an Chancen lang ist, ist es allerdings meist auch die der Herausforderungen; und diese stehen in erster Linie in Verbindung mit der Datenverarbeitung, -verfügbarkeit und -kompatibilität. So muss sich letztlich ein Standard durchsetzen, den ausnahmslos alle Verkehrsteilnehmer:innen sowie die Betreiber:innen der Infrastruktur nutzen, damit eine flächendeckende Kommunikation überhaupt möglich ist. Hierzu muss auch erforscht werden, welche Technologien welche Vor- und Nachteile aufweisen.

Die Verfügbarkeit der Daten ist in der Hinsicht eine zentrale Herausforderung, dass diese erst dann vollumfänglich nutzbar sind, wenn sie hinreichend miteinander verknüpft sind. So muss die Verkehrsleitzentrale die Information über die Verkehrsflüsse ebenso bereitstellen wie der ÖPNV seine Fahrpläne, Anpassungen und Auslastungen. Auch den Stadtverkehr betreffende Sonderereignisse wie große Konzerte oder Demonstrationen müssen ihren Weg in die Algorithmen finden, was die Kooperation vieler diverser Akteur:innen erfordert. Doch auch rechtliche Hürden stehen noch im Weg; hierzu bedarf es gezielter Initiativen vonseiten der Politik.

Pilotprojekte – Hamburg und das Ruhrgebiet machen’s vor

Erste Pilotprojekte im Bereich der V2X-Kommunikation laufen auch in Deutschland bereits, hier ist vor allem Hamburg zu nennen, wo mit gleich zwei Vorhaben versucht wird, das vernetzte Verkehrssystem realitätsnah zu testen. Das Projekt BiDiMoVe, das im Rahmen der Förderrichtlinie „Automatisierung und Vernetzung im Straßenverkehr“ vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gefördert wird, stellt den ÖPNV in den Vordergrund und stattet Busse und Ampelanlagen mit speziellen Modulen aus, die eine vollautomatische, WLAN-gestützte Kommunikation ermöglichen. So sollen diese je nach Auslastung und Verspätungslage gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern bevorrechtigt und priorisiert werden. Außerdem erhalten Fahrer:innen Geschwindigkeitsempfehlungen und es wird ein Abbiegeassistent installiert, der vor parallel verkehrendem Rad- und Fußverkehr warnt. Bisher wurden zehn Busse und 18 Ampelanlagen mit der Technik ausgestattet, perspektivisch soll es das gesamte Hamburger ÖPNV-System sein. Einsatzfahrzeuge, Pedelecs und E-Scooter können das System potenziell auch nutzen.

Die Hansestadt ist seit 2020 auch Schauplatz einer neun Kilometer langen Teststrecke für das automatisierte und vernetzte Fahren (TAVF), deren Finanzierung ebenfalls auf das BMVI zurückgeht. Hier werden ebenfalls Ampelanlagen aufgerüstet, um mit Fahrzeugen im Straßenverkehr kommunizieren zu können. Insgesamt 37 Lichtsignalanlagen und eine Brücke werden mit sogenannten „Roadside Units“ versehen, die nach dem WLAN-basierten 802.11p-Standard Daten mit vorbeifahrenden Fahrzeugen austauschen. Autofahrer:innen erhalten dadurch Warnhinweise, wenn sich gefährdete Verkehrsteilnehmer:innen nähern. Außerdem sollen Ampelprognosen den Verkehrsfluss optimieren. Die Teststrecke liegt in einem Bereich mit S-Bahn-Überführungen, Hochhäusern und Alleen, um heterogene und erschwerte Umgebungsbedingungen zu schaffen und die Technologie damit auf ihre Realisierbarkeit zu überprüfen.

In Oberhausen im westlichen Ruhrgebiet fördert das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ein Pilotprojekt zur besseren Eingliederung von Einsatzfahrzeugen in das alltägliche Verkehrssystem. Ziel des Projekts ist die Einrichtung einer V2X- Kommunikation zwischen Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr Oberhausen und den Lichtsignalanlagen auf der vielbefahrenen Mülheimer Straße, die direkt an der Feuerwache liegt. Die Technologie soll Einsatzfahrzeuge in die Lage versetzen, ihre Fahrstraße vollautomatisiert freizuschalten, sobald dies benötigt ist, und diese Freischaltung bei erfolgter Durchfahrt automatisch wieder aufzuheben. So sollen Rückstaus deutlich schneller abgebaut und Einsätze komplikationsärmer durchgeführt werden können. Die Stadt Oberhausen stattet insgesamt 30 Fahrzeuge mit V2X-Sendern sowie acht Kreuzungsampeln mit V2X-Empfängern aus.

Fahrzeuge kommunizieren nicht nur untereinander, sondern auch mit Fußgänger:innen, Netzwerken und Infrastruktur. © Infineon

Fahrzeuge kommunizieren nicht nur untereinander, sondern auch mit Fußgänger:innen, Netzwerken und Infrastruktur. © Infineon

Zukunftsszenario: kommunizierende Verkehrssysteme

Die Pilotprojekte werden zeigen, welche Baustellen die Technologie noch birgt und an welchen Stellen auf welche Weise nachjustiert werden muss. Dennoch steht schon jetzt fest: Ein erhöhter Kommunikationsgrad im Straßenverkehr birgt erhebliche Potenziale. Die Entwicklungen in Hamburg, Oberhausen und an vielen anderen Orten lassen optimistisch stimmen: Einige Verkehrsprobleme könnten schon bald der jüngeren Geschichte angehören. Und die Ära des autonomen Fahrens rückt immer näher.