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Game Changer

Carsharing in Städten

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Carsharing wird in Zukunft eine noch größere Variante im öffentlichen Nahverkehr werden.

Carsharing als Zugewinn für Städte. Foto: @iStock/Chesky_W

Carsharing als Zugewinn für Städte. Foto: @iStock/Chesky_W

Vorhandenes Potenzial nutzen statt Neues anschaffen: Der Trend geht von der Kultur des Besitzens hin zu einer Infrastruktur des Teilens. Was nach einer Einschränkung klingen mag, ist Bestandteil eines zukunftsorientierten Denkansatzes: Schließlich kann auf diese Weise der Ressourcenverbrauch eingeschränkt und das nachhaltige Wirtschaften langfristig gestärkt werden. Das wird auch und vor allem im Kontext der innerstädtischen Mobilität sichtbar.

Neuauflage eines bewährten Konzepts

Das Teilen von alltäglichen Nutzgegenständen in Nachbarschaft und Bekanntenkreis ist längst keine Neuheit; so erscheint es vollkommen plausibel, dass nicht alle fünf Parteien eines Mehrfamilienhauses eine eigene Schlagbohrmaschine besitzen müssen, wenn der jeweilige Nutzungsbedarf sich auf alle zwei Jahre beschränkt. Sharing-Plattformen wie nebenan.de oder fairleihen.de erfreuen sich seit einigen Jahren nicht ohne Grund immer größerer Beliebtheit. Beim Auto sieht die Bereitschaft zum Teilen – vor allem in Deutschland – jedoch anders aus: In München beispielsweise besitzen 71% aller Haushalte einen privaten Pkw, obwohl „nur“ 58% der gesamten Personenkilometer auf diese Weise zurückgelegt werden. Zusätzlich wird der private Pkw im bundesweiten Durchschnitt leidglich eine Stunde am Tag genutzt und verbringt die restlichen 23 stehend. Dadurch werden – vor allem im öffentlichen Raum – anderweitige Raumnutzungen verhindert, während sich die Parkproblematik mit jeder Neuanschaffung weiter verschärft.

Diesen Umstand adressiert die Sharing Economy, die von der Publizistin Rachel Botsman als eine „Wirtschaft, die auf verteilten Netzwerken verbundener Individuen und Gemeinschaften […] aufbaut und die Art und Weise verändert, wie wir produzieren, konsumieren, finanzieren und lernen können“ definiert wird. Der Grundgedanke: Alles, was mit anderen geteilt werden kann, sollte geteilt werden. Daraus ist ein ernstzunehmender Wirtschaftszweig entstanden.

Erhöhung von Nutzen und Nutzern

Im urbanen Raum wird die Sharing Economy immer präsenter und bedient zunehmend auch den Bereich der Mobilität. So hat sich beispielsweise die Anzahl der Carsharing-Anbieter in Deutschland von 2019 bis 2020 um 45 auf 226 erhöht, gleichzeitig wuchs die Zahl der Städte mit Carsharing-Angebot von 740 auf 855. Dabei verzeichnete das besonders in Großstädten etablierte Free Floating, der Gegenentwurf zum stations- beziehungsweise parkplatzbasierten Carsharing, den größten Zuwachs: Über 1,5 Millionen der rund 2,3 Millionen Sharing-Nutzer sind bei einem Free Floating-Anbieter registriert. Ziel ist es, die Abhängigkeit vom eigenen Pkw zu brechen und den Nettomobilitätsbedarf möglichst ohne unnötige Standzeiten abzudecken. Der Zugang zum Fahrzeug erfolgt über die jeweilige Smartphone-App, über die auch der Zahlungsvorgang abgewickelt wird.

Der in Deutschland prominenteste Carsharing-Dienst, ShareNow, konnte 2020 die Marke von drei Millionen registrierten Nutzern überschreiten und unterhält über 7.000 frei flottierende Fahrzeuge. Allein auf Berlin, Hamburg und das Rheinland entfallen 4.100, davon 400 mit batterieelektrischem Antrieb. Auf dem zweiten Platz folgt mit Flinkster ein Dienst der Deutschen Bahn, der immerhin 315.000 Nutzer zählt; darauf mit Diensten wie Cambio, Stadtmobil und dem vorwiegend in Ostdeutschland aktiven teilAuto kleinere, stationsbasierte Anbieter.

Die Städte profitieren

Gerade in den baulich stark verdichteten Großstädten ist Carsharing ein wahrer Zugewinn: Laut einer Studie des Bundesverbands CarSharing (BCS) birgt schon ein einziges geteiltes Fahrzeug das Potenzial, 20 Pkw zu ersetzen, in der Länge also etwa 100 m Straßenkante einzusparen. Im Umkehrschluss wirkt sich das insofern positiv aus, dass auf den ehemaligen Parkplatzflächen neuer Raum für urbanes Leben entstehen kann: zum Beispiel Außenbereiche von Gastronomiebetrieben oder Orte für soziale Interaktion und Bewegung.

Die Zahlen belegen, dass der Rückgang von Autokäufen durch eine Fokussierung auf das Teilen nicht bloß eine Utopie ist. Laut einer repräsentativen Umfrage unter Carsharing-Nutzern im Rahmen der bereits zitierten BCS-Studie wurden entweder unmittelbar vor oder während des Abonnements 61,9% aller in diesem Personenkreis verfügbaren Pkw abgeschafft. 70% der Befragten geben an, seltener Auto zu fahren, während 40% öfter den ÖPNV nutzen und 32% häufiger auf das Fahrrad zurückgreifen. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass ein eigener Pkw permanent Fixkosten generiert, ob parkend oder in Bewegung: Um nicht umsonst zu zahlen, wird er auch dann genutzt, wenn es gar nicht zwingend nötig ist. Sharing hingegen erhöht die Flexibilität, da der Nutzer ausschließlich für die Kilometer bezahlt, die tatsächlich zurückgelegt werden

Sixt mit neuem Konzept

Ein Sinnbild der „neuen“ Mobilität ist die Neuausrichtung des Autovermieters Sixt, der seit Jahrzehnten für langfristigere Ausleihverhältnisse bekannt ist, weshalb beispielsweise Flughäfen und Fernbahnhöfe stets mit einer Filiale ausgestattet sind. Seit 2019 jedoch wird Kunden mit SIXT Share eine weitaus flexiblere Möglichkeit geboten. Per App kann ein an der Straße geparktes und digital auf einer Karte markiertes Auto geöffnet werden, der Ausleihzeitraum liegt je nach Wunsch zwischen wenigen Minuten und 27 Tagen. Auf diese Weise wird der Bedarf an schneller und spontaner Mobilität gedeckt, die bislang nur der private Pkw gewährleisten konnte.

Nicht auf das Auto beschränkt

Auch abseits des Automobils konnten Sharingdienste ihren Einfluss auf die urbane Mobilitätsinfrastruktur über die letzten Jahre drastisch erhöhen. Insbesondere in Großstädten finden sich seit einiger Zeit vermehrt E-Scooter und Fahrradstationen, die ebenfalls per App ausgeliehen und an einer anderen Station innerhalb des erschlossenen Radius zurückgegeben werden können. Aufseiten der Roller sind hier vor allem der Berliner Anbieter Tier und das kalifornische Unternehmen Lime zu nennen; Fahrräder werden in Deutschland unter anderem vom sächsischen Nextbike angeboten. Hier geht es vor allem um die Überbrückung der sogenannten „letzten Meile“, weshalb Scooter- oder Radstationen vermehrt in Kreuzungsbereichen von Bushaltestellen und Bahnhöfen zu finden sind.

Während Carsharing also für eine Minimierung des ewigen Parkens inaktiver Pkw sorgt, ergänzen Lime & Co das Nahverkehrsnetz und erschließen auch solche Orte schnell und unkompliziert, die nicht von Bus oder Straßenbahn angesteuert werden. In Kombination wohnt beiden Konzepten das Potenzial inne, Mobilität im urbanen Raum zu revolutionieren. Die Sharing Economy zeigt, dass es ein großer Zugewinn sein könnte, etwas weniger zu besitzen und etwas mehr zu teilen; zumal die Energiewende ganz ohne Verzicht ein aussichtsloses Unterfangen darstellt.