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Neues Level in der Luft: 5G-Technologie für Drohnenlogistik

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Im Gespräch mit Stephan Berkowitz, Chief Technology Officer bei der Third Element Aviation GmbH, Michael Thärigen, Geschäftsführer der GTS Systems and Consulting GmbH, und Norman Koerschulte, Prokurist bei der Karl Koerschulte GmbH

Neues Level in der Luft: 5G-Technologie für Drohnenlogistik

© Noah Feichter, TH Köln

Herr Berkowitz, wie sieht eine potenzielle Kommunikation der Drohnen untereinander aus, welche Anforderungen hat dies an die digitalen Lösungen dahinter?

Bei einer Kommunikation zwischen Drohnen müssen diese als Sender und Empfänger funktionieren. Das kann derzeit z.B. über D2X, eine spezielle WLAN-Variante, geschehen, die einigermaßen resistent gegen Abschattungen und in gewissem Masse „um die Ecke“ funken kann. D2X kommt theoretisch ca. sechs Kilometer weit mit Datenübertragungsraten, die (theoretisch) auch für schmalere Videoübertragungen geeignet wären.

Es gibt die eingeführte Technologie FLARM, die z.B. in Hubschraubern verbaut wird. Ein Rettungshubschrauber (der eine sehr hohe Priorität hat und seine Flugrouten in der Regel nicht bekannt gibt) sendet ein permanentes Signal aus, sodass alle Drohnen, die wiederum FLARM empfangen können, aus dem Weg entweichen können bzw. müssen. In aller Regel landen die Drohnen dann instant. Das ist logischerweise keine bidirektionale Kommunikation. Zu D2X und FLARM gibt es Alternativen mit ähnlichem Funktionsumfang.

Weiterhin kann über LTE und 5G (vermutlich) eine Kommunikation direkt über die lokalen Funkmasten abgewickelt werden. Stichwort bei LTE: AFP. Dabei handelt sich dann im eigentlichen Sinne nicht um direkte Kommunikation zwischen den Drohnen, es gäbe aber keinen funktionalen Unterschied.

Bedeutende Anforderungen an die digitalen Lösungen sind: Ein einigermaßen mäßiger Stromverbrauch der verwendeten Techniken; je kleiner Drohnen sind, umso mehr fällt der gesammelte Stromverbrauch von Zusatzkomponenten ins Gewicht. Zudem müssen die Komponenten auch verbaubar sein, wenn sie direkt in den Drohnen genutzt werden müssen, oder zumindest anbaubar. Komponenten aus der Automotive-Industrie von 500 g Gewicht etc. sind in der Regel nicht nutzbar.

Es muss eine Art Common Sense zwischen den verschiedenen Drohnenherstellern/-anbietern herrschen. „Wir interpretieren Verhaltensweisen der anderen seit dem XX.XX.202X nun so und so“ ist sinnvoll. Es gibt z.B. im Kommunikationsprotokoll MAVLink hierzu Befehle, die Positionen einer Drohne eindeutig beschreiben. Protokoll und Datenbeschreibungen sollten von allen Teilnehmenden synchron unterstützt werden.

Die 5G-Technologie macht in diesem Kontext Ad-hoc-Korridore möglich. Was hat es damit auf sich und welche Herausforderungen sind damit verbunden, v.a. mit Blick auf die künftige Implementierung in den regulären Flugraum/Verkehr?

5G teilt die Luft in „Luftkästen“ (Quadrupel) auf. Je nach Ausbaustufe bzw. Release-Version von 5G können die Quadrupel von 3 x 3 x 3 m bis zu 10 x 10 x 10 cm groß sein. Das bedeutet die Diskretisierung der Luft und ist für menschliche bzw. maschinelle Planung eine sehr gute Grundlage. Die Bahnplanung kann eingeführte oder auch potenziell KI-gestützte Algorithmen nutzen. Quadrupel können vorab für Flüge reserviert oder ad hoc durch Veränderungen im Lagebild in Zugriff genommen werden. Die Herausforderungen sind hierbei, nicht unnötig Quadrupel zu reservieren oder diese nicht freizugeben (wann werden sie freigegeben?) und die Prioritäten der Flüge fein aufeinander abzustimmen. Hierbei könnte auch die Kommunikation der Fluggeräte direkt untereinander nützlich sein.

Wichtig ist dabei, Use Cases – die genauso, wie sie geplant wurden, durchgeführt werden müssen – abfliegen zu können, ohne dass sie unnötigerweise durch prinzipiell flexiblere Flüge in ihrer Ausführung verhindert werden. Hierfür ist ein System zu schaffen, das einen gerechten und für alle Teilnehmenden akzeptablen Ausgleich schafft.

Welche Möglichkeiten kann 5G ganz konkret in der Drohnenlogistik eröffnen, welche Vorteile versprechen Sie sich (z.B. Gewichtsreduzierung?)

Viele der soeben genannten Techniken werden durch 5G nicht zwingend obsolet, könnten aber in die zweite Reihe hinter 5G treten und somit nur noch optional Verwendung finden. Dadurch können Bauteile, Wartung an obsoleten Softwarekomponenten und Datenfusionen entfallen. Dadurch würden Aufbau und Wartungskosten und Gewicht gespart werden. Gespartes Gewicht bedeutet überdies mehr Flugzeit und/oder mehr Zuladung. Durch einen Common Sense unter den Logistikern wird gemäß Erwartungshaltung die Konvergenz der verschiedenen Drohnen-Liefersysteme untereinander stärker werden.

Wie genau kann denn die neue Technologie ggfs. durch mehr Effizienz zu Kosteneinsparungen führen?

Durch bessere Bahnplanung können mehr oder optimierte bzw. termingetreuere Flüge durchgeführt werden.

Durch einen Common Sense unter den Logistikern und der starken Konvergenz werden Abstimmungen untereinander einfacher. Zudem ist der Markteintritt leichter.

Und durch den möglichen Wegfall bisheriger Komponenten und deren zersplitterte Technologie werden Bauteile, Know-how-Vorhaltungs- und Wartungskosten eingespart.

Drohnen im Flugverkehr sind ein brisantes Thema: Wie lassen sich Sicherheit und Flexibilität vereinbaren? Wie kann hier die 5G-Technologie ggfs. unterstützen?

Jedes System in der Luft profitiert prinzipiell davon, wenn es a) weiß, wo es sich genau befindet, b) es bei Bedarf mit anderen Teilnehmern viele Daten austauschen kann und c) größere Video- und Datenstreams zu Bodenstationen oder Leitständen übermitteln kann. All diese Eigenschaften zahlen auf die Awareness eines Flugsystems im Raum und positive Folgerungen daraus ein. Wenn ich genau weiß, wo andere sind, wie ich mich verhalten werde und wie sich andere Systeme verhalten werden, kann ich sehr präzise Ableitungen für mein Verhalten ermitteln. Wenn alles eine Dimension unschärfer und unklarer sein sollte, kann daraus folgen, dass zehn Flugsysteme sich in Luftraum X aufhalten können, bei präziserer Awareness ggf. 100 oder 1.000.

Erhöhte Sicherheit ist eine direkte Folge aus erhöhter Awareness und größeren Datenströmen, die möglich sind. Erhöhte Flexibilität ergibt sich u.a. aus der erhöhten Sicherheit. Bei großer Unsicherheit müssen z.B. sehr großräumige Schutzzonen um Gebiete und einzelne Flüge gezogen oder Flüge gar seriell einer nach dem anderen abgeflogen werden.

Herr Thärigen, hier kommen Sie quasi ins Spiel. Welche Rolle nimmt GTS im Projekt Drone4Parcel5G ein?

GTS sorgt dafür, dass anfallende Transportaufträge der beiden Anwendungsprojektpartner, also des Unternehmens Koerschulte und des Drohnenbetreibers Third Element, verplant und an das System zur Drohnensteuerung von Third Element weitergeleitet werden. Außerdem nehmen wir die bei der Durchführung anfallenden Ist-Daten entgegen und visualisieren diese in der Planungsanwendung. Das von GTS bereitgestellte System TransIT ist somit der Datenmittler zwischen den Systemen der anderen Partner.

Welche Faktoren sind insbesondere für eine effiziente Tourenplanung von Drohnenlieferungen entscheidend?

Entscheidend für die effiziente Tourenplanung ist der genaue Überblick über die bestehenden Ressourcen, also vor allem Drohnen und Ladestationen, und die zu verplanenden Aufträge. Nur dann kann ein effizienter Plan erstellt werden, bei dem die Ressourcen optimal ausgenutzt werden. Aus Sicht der Tourenplanung ist vor allem die sehr schnelle Gewinnung von Echtzeitinformationen von Bedeutung, damit diese bei der weiteren Planung berücksichtigt werden kann. Das Softwaresystem TransIT ist in der Lage, Echtzeitinformationen für die weitere Planung zu berücksichtigen und unterscheidet sich dadurch von anderen Planungssystemen, die eher statische Pläne generieren.

Was genau macht dieses System?

Das Planungssystem TransIT ist für die automatische Verplanung der Aufträge zuständig. Dabei wird entschieden, mit welcher Drohne und zu welcher Zeit ein spezieller Auftrag durchgeführt werden soll. TransIT kann alle Restriktionen berücksichtigen, die für die Planung notwendig sind, und garantiert somit eine optimale Planung. Außerdem erweitert GTS das bestehende System um einen vollautomatischen Betrieb, der durch einen Anwender nur noch überwacht werden muss. Auch für diese Überwachung stehen entsprechende Systeme zur Verfügung.

Herr Koerschulte, als technischer Großhändler, also im B2B-Bereich tätig, haben Sie bereits vor mehr als zwei Jahren eine erste Lieferdrohne starten lassen. Seitdem entwickeln Sie ein darauf fußendes Logistik-Konzept. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden?

Das hat einen akuten und einen strukturellen Hintergrund. Ein akutes Problem für Lüdenscheid, wo wir unseren Sitz haben, und das gesamte Sauerland ist die Sperrung der Talbrücke Rahmede der A45. Aus Logistiker-Sicht ist das eine mittlere Katastrophe. Die strukturelle Herausforderung ist der Fachkräftemängel. Es wird für uns immer schwieriger, Fahrerinnen und Fahrer zu finden, auch und gerade für die letzte Meile zum Kunden. Und da das mit dem autonomen Fahren im großen Stil meiner Meinung nach noch eine ganze Weile dauern wird, haben wir eine alternative Zukunftstechnologie in den Blick genommen, die sich schneller realisieren lässt. Wir bei Koerschulte sind davon überzeugt, dass wir die Technologie sehr gut nutzen können. Unsere Kernfrage: Wie kann man sinnvollerweise unsere digitalen Bestelltools für die Kunden mit Lieferdrohnen vernetzen?

Also sehen Sie Drohnentransporte heute als praktisch umsetzbare Lösung – was waren die Meilensteine auf dem Weg zu dieser Erkenntnis?

Ich bin schon 2004 mit diesem Thema in Berührung gekommen. Zum Hintergrund: Ich komme beruflich aus der Luftfahrt, war sieben Jahre lang im Lufthansa-Konzern tätig. Damals habe ich gelernt, dass es – rein technisch – überhaupt keine Piloten mehr braucht, um große Passagiermaschinen sicher zu starten, zu fliegen und zu landen. Und das ist, wie gesagt, mehr als 15 Jahre her. Für die Drohnen gilt das Gleiche: Ihr Betrieb war eigentlich nie ein technisches, sondern immer „nur“ ein organisatorisches Problem. In den vergangenen Jahren haben wir uns in den USA und auch in Tel Aviv umgeschaut und viele spannende Ideen mitgenommen. Durch die Drohnenverordnung der EU haben wir seit 2021 endlich einen gewissen regulatorischen Rahmen – das war mit Sicherheit einer der wichtigsten Meilensteine bis dato. Nun kommt es darauf an, wie sich dieser Rahmen weiterentwickelt.

Warum ist die 5G-Technologie für den Warentransport mittels Drohnen so wichtig?

Je mehr Daten ich pro Sekunde übertragen kann, desto besser. Die Drohnen sind mit einer nach vorne ausgerichteten und mit einer nach unten ausgerichteten Kamera bestückt. Diese liefern Livebilder an den Operator am Boden. Mit einem „Pixel-Wust“ kann er wenig anfangen – er braucht gestochen scharfe Bilder zur sicheren Überwachung des automatisch gesteuerten Fluges. Dabei hilft die 5G-Technologie immens. Wir planen ja nicht mit einer einzelnen Drohne, sondern mit ganzen Schwärmen.

Wie ist der praktische Ist-Stand bei Ihnen?

Bislang sind es größtenteils noch Intralogistik-Projekte, beschränkt auf unser Areal. Für die Innenstadt brauchen wir nämlich die sogenannte SAIL3-Genehmigung. Dazu stehen wir in engem Austausch mit dem Luftfahrtbundesamt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir als erstes Unternehmen in Europa diese Genehmigung erhalten werden. Aber wie das so ist bei Pionieren: Wir müssen alles von vorne bis hinten und zigmal durchgehen, um von den Behörden das „Okay“ zu bekommen. Und das dauert eben seine Zeit. Das Luftfahrtbundesamt wird jedoch voraussichtlich noch in diesem Jahr zertifizieren. Die ersten Drohnen könnten dann in Lüdenscheid und Umgebung unterwegs sein. Wir haben in der Region 3.000 Kunden. Jede Strecke muss einzeln abgenommen werden. Die ersten zehn Routen haben wir eingereicht.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Vorteile der Drohnenlieferung in der Praxis?

Die Möglichkeit, mit wenig Personal viele Pakete ausliefern zu können. Ein Mensch kann bis zu zehn Drohnen gleichzeitig überwachen. Als Großhändler für Handwerker und Industrieunternehmen, etwa in den Bereichen Arbeitsschutz und Befestigungstechnik, liefern wir hauptsächlich kleine Teile aus. Die Pakete wiegen maximal zehn Kilogramm. 25 kg dürften wir mit den bestehenden Regeln durch die Luft bewegen. Als Anwender bringen wir diese Erfahrungen in Drone4Parcel5G ein und profitieren umgekehrt natürlich von den Erkenntnissen aus dem Projekt.

Vielen Dank für Ihre interessanten Einblicke.

DRONE4PARCEL5G

Unter der Konsortialführung von Prof. Dr. Andreas Schwung und Prof. Dr. Stefan Lier der FH Südwestfalen (FH SWF) wird zunächst bis Ende 2023 die Zukunft der Drohnenlogistik erforscht. Durch den Einsatz von 5G sollen Drohnen hochautomatisiert Waren befördern können. Projektpartner sind u.a. Third Element Aviation, Noweda, GTS Systems, die KL Group, Infineon Technologies, TKG SWF und die wfg Kreis Soest. Als Forschungsprojekt der zweiten 5G.NRW-Runde wird es mit insgesamt rund 1,6 Mio. Euro vom Land NRW gefördert. Das Projektmanagement übernimmt Lukas Ostermann von der FH SWF.