Antrieb für die Mobilitätswende
Kommunale Unternehmen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur modernen Mobilität. Sie sind Motor der Energie- und Verkehrswende – durch Produktion sauberer Energie, flächendeckende Versorgungsinfrastrukturen, moderne Fahrzeugflotten und nutzerfreundliche Mobilitätsdienstleistungen. Damit das so bleibt, brauchen sie verlässliche Rahmenbedingungen.
Vernetzt – in der Stadt wie auf dem Land
Kommunale Unternehmen bieten heute schon smarte und klimaschonende Mobilitätsdienstleistungen an und setzen in ihren Fuhrparken auf alternative Antriebe – Tendenz stark steigend. So entstehen am Innenstadtrand oder an Bahnhöfen neue Mobilitäts-Hubs für den Umstieg auf Alternativen zum eigenen Pkw und Lademöglichkeiten für ein schnelles „Nachtanken“. In neuen und alten Quartieren wird smarte Mobilität integraler Bestandteil der Planung. Der kommunale Fuhrpark wird grüner und Touren werden smart geplant. Ein Beispiel kommt aus Offenburg: Carsharing, Fahrradverleihsystem und sichere Stellplätze für Pendlerinnen und Pendler direkt an Busstationen – die Technischen Betriebe Offenburg (TBO) spannen ein Mobilitätsnetzwerk über ihre Stadt.
Auch die Hauptstadt setzt auf „außen orange, innen grün“: Schon heute fährt ein großer Teil der über 1.700 Fahrzeuge bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben AöR (BSR) mit alternativen Antrieben. Darüber hinaus wird in die Verkehrssicherheit investiert. Alle Fahrzeuge über 7,5 t verfügen über Abbiegeassistenzsysteme. Neben bester Qualifizierung der Berufskraftfahrer ist das ein Beitrag für mehr Sicherheit beim Abbiegen im quirligen Berliner Verkehr.
Eines ist klar: Der Zugang zu klimaschonender und bezahlbarer Mobilität darf keine Frage des Wohnorts sein. Mobilität bedeutet Selbstbestimmung und ist für viele auch Ausdruck und unverzichtbarer Bestandteil der persönlichen Unabhängigkeit, für die Wirtschaft ist Mobilität das Lebenselixier. Deshalb sind auch für den ländlichen Raum der einfache Zugang zu Tank- und Ladestationen, Sharing-Angebote oder attraktiver ÖPNV wichtig.
Ein gutes Beispiel für eine Mobilitätsplattform im ländlichen Raum kommt von den Technischen Werken Schussental. Die Online-Plattform „tws.mobil“ bietet verschiedene Dienstleistungen wie ÖPNV, E-Bike-/Carsharing und Ladepunkte an, zudem vernetzt sie betriebliche und gewerbliche Flotten. Neben den Mobilitätsbausteinen werden auch Nutzergruppen, Dienstleistungen und Produkte mit dem Ziel verbunden, den Umstieg vom motorisierten Individualverkehr vor allem für Pendlerinnen und Pendler auf umweltschonendere Verkehrsmittel zu verlagern. Für dieses Projekt wurden die Technischen Werke Schussental mit dem Sonderpreis Mobilität des VKU-Innovationspreises 2021 ausgezeichnet.
Klimaschonend fahren, tanken und parken
Vom Müllwagen bis zu speziellen Nutzfahrzeugen: Die kommunalen Unternehmen sind jeden Tag mit einem großen Fuhrpark für die sichere Ver- und Entsorgung von Menschen und Wirtschaft auf den Straßen in Stadt und Land unterwegs – umso wichtiger, dass sie klimaschonend fahren. Weil es diese Fahrzeuge nicht von der Stange gibt, sollten der Erwerb und die Umrüstung auf alternative Antriebe und die notwendige Umstellung der Infrastrukturen und Betriebe unterstützt werden.
Auch für den Individualverkehr bieten immer mehr kommunale Unternehmen smarte und saubere Mobilitätsdienstleistungen an. Im Fokus steht die Elektromobilität: Gesucht werden Ladesäulen, an denen man sein Auto mit grünem Strom betanken kann. Rund die Hälfte der 43.400 Ladepunkte in Deutschland (Stand: 09/2021, Quelle: Bundesnetzagentur) werden kommunal betrieben. Zusätzlich entstehen immer mehr Wasserstofftankstellen – in Wuppertal, Mainz oder Nienburg sogar mit grünem Wasserstoff aus eigener Produktion.
Kommunale Unternehmen helfen auch, den Parkplatz-Suchverkehr in den Innenstädten zu vermeiden: In einigen Städten wie Köln, Trier oder Andernach setzen die Stadtwerke Sensoren im Asphalt ein, die messen, ob ein Parkplatz belegt ist oder nicht. Per App im Auto findet der/die Fahrer:in schnell einen freien Parkplatz. Die Parkplatzsuche ist aber nur der Anfang: Intelligente Verkehrssteuerung wird Staus seltener machen, was ebenfalls Kosten, Zeit, Nerven – und vor allem CO2 spart. Gleiches gilt für intelligente Sensoren in Abfalleimern. Sie signalisieren, wenn die Behälter geleert werden müssen und die Tourenplanung angepasst werden kann. Gerade auf dem Land spart dies unnötige Leerfahrten und CO2.
Das Mobilitätsnetz der Zukunft
Ein Mobilitätsnetz umfasst mehr als die Straße und Autos: Ein Mobilitätsnetz bewegt Menschen und Waren – sauber, sicher und smart.
Der Zugang zu neuer Mobilität wird über erfahrbare Angebote und Dienste gefördert: Sichtbare Tank- und Ladeinfrastruktur, Apps für die Planung von Mobilitätsketten oder Autos mit alternativen Antrieben und Fahrzeuge wie E-Scooter im Sharing-Pool.
Die Planung auf der Seite der Infrastrukturen ist eine Herausforderung für Mobilitätsanbieter, Kommunen und Energiewirtschaft. Wir meistern sie beispielsweise für die Elektromobilität, wenn jede Kommune eine passgenaue Ladeinfrastruktur-Strategie entwickelt – gemeinsam mit allen Akteursgruppen und in Verbindung mit einem ganzheitlichen Konzept für Quartiere. Bestes Beispiel: Die Stegerwaldsiedlung in Köln-Mühlheim. Die Rheinenergie hat hier ein innovatives Konzept zur klimaschonenden Wärme- und Stromversorgung, Siedlungsmanagement, Elektromobilität, Smart Home und schnelles Internet durch Glasfaser für rund 700 Wohneinheiten realisiert. Das Projekt ist auch Vorbild für die Zusammenarbeit kommunaler Akteure, beispielsweise mit der Wohnungswirtschaft. Gemeinsam können sie die geeignetsten Standorte für Mobilitätsangebote und Ladesäulen klären. Solche Kooperationen sollten gezielt gefördert werden, weil sie entscheidend für einen volkswirtschaftlich effizienten Ausbau sind. Die Planung der Lade- und Mobilitäts-Hubs kann durch (Elektro-)Mobilitätsmanagerinnen und -manager in den Kommunen unterstützt werden, wie es sie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen schon gibt. Sie behalten alles im Blick: von der Nachfrage-Entwicklung in den Kommunen bis zu den Anforderungen an die Netze.
Nichts passiert, wenn es nicht vor Ort geschieht
Wie die Klimaziele der Bundesregierung und der EU erreicht werden, entscheidet sich immer in der Umsetzung vor Ort. Denn Angebot und Nachfrage sind je nach Geografie unterschiedlich ausgeprägt. Es macht einen Unterschied, ob dünn besiedelte ländliche Räume, Industrie- oder Gewerbegebiete oder eine Großstadt zu versorgen sind. Überall sind die Ansprüche an die Menge und Art der Versorgung unterschiedlich. Um den Weg in Richtung klimafreundliche und bezahlbare Mobilität fortzusetzen, brauchen kommunale Unternehmen gute Rahmenbedingungen. Statt Rosinenpickern die Tür zu öffnen, sollte die Politik eine verlässliche Grundversorgung flächendeckend fördern und Kommunen bei den Planungen durch geeignete Ressourcen flankieren. Nachhaltige Mobilität ist unabdingbar für mehr Klimaschutz, zu Recht liegt daher der Fokus der Politik einer neuen Bundesregierung und auch auf EU-Ebene auf ihr.
Ingbert Liebing
Ingbert Liebing sammelte nach seinem Politikstudium erste kommunalpolitische Erfahrungen in den 80er- und 90er-Jahren. Von 1996 bis 2005 war er hauptamtlicher Bürgermeister der Gemeinde Sylt-Ost. 2013 wurde er zum Bundesvorsitzenden der kommunalpolitischen Vereinigung von CDU/CSU gewählt. Von 2005 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und in der vergangenen Wahlperiode, vor dem Wechsel in die Landesregierung Schleswig-Holstein, kommunalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit 1. April 2020 ist Ingbert Liebing Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen e.V. (VKU).
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU)
vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit mehr als 283.000 Beschäftigten wurden 2019 Umsatzerlöse von rund 123 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 13 Milliarden Euro investiert. Weitere Informationen unter www.vku.de.
Autorin
Csilla Letay