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Parkraum digital

Ticket-Muffel erfassen und Gefahrenstellen entschärfen

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Dr. Almut Neumann schildert, wie Berlin-Mitte die Parkraumerfassung mit Scanfahrzeugen digitalisieren möchte.

Dr. Almut Neumann

Dr. Almut Neumann

Im Gespräch mit Dr. Almut Neumann, Bezirksstadträtin in Berlin-Mitte

Frau Dr. Neumann, in Ihrem Bezirk Berlin-Mitte sind seit rund einem Jahr sogenannte Scan-Fahrzeuge im Rahmen eines Modellversuchs unterwegs. Was genau hat es damit auf sich?

Es geht bei unserem Scan-Car-Projekt im Kern um eine moderne Form der Parkraumbewirtschaftung. Die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg haben aufgrund ihrer zentralen Lage in Berlin eine besonders hohe Parkraumdichte. Daher sind wir besonders an digitalen Lösungen für die Zukunft interessiert. Das Ganze funktioniert natürlich nicht ohne die Einbeziehung des Landes Berlin. Also haben wir gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz eine neue Geschäftsstelle zur Vorbereitung einer digitalisierten Parkraumbewirtschaftung eingerichtet. Diese ist dabei, alle relevanten Prozesse zu bündeln und zu steuern.

Läuft denn die digitale Parkraumbewirtschaftung, also das Erfassen von parkenden Autos ohne Ticket, schon jetzt – wenn auch nur im Modellversuch?

Nein, das wäre noch gar nicht möglich. Zwar fahren die Scan-Cars schon seit Monaten auf den Straßen, sie erfassen aber lediglich den vorhandenen Parkraum: Wie viele öffentliche Stellplätze haben wir in Mitte ganz genau? Natürlich lagen der Verwaltung dazu auch schon vorher offizielle Informationen vor, doch nun erfolgt eine exakte Kartierung. Und nicht nur das: Die Wagen machen auch die Auslastung transparent, indem sie alle Parkplätze mehrfach passieren. Auf diese Weise lässt sich unter anderem feststellen, wann wo besonders viel geparkt wird und welche Flächen kaum genutzt werden. Die Auswertung dazu soll im Sommer erfolgen.

Warum wäre eine digitale Parkraumbewirtschaftung mittels Scan-Cars noch nicht möglich?

Es gibt verschiedene Herausforderungen. Da wäre zunächst die technische Komponente zu nennen. Es gibt noch kein „Berliner Tool“ dafür. Allerdings stehen wir mit verschiedenen Anbietern in Kontakt, die solche Lösungen bereits im europäischen Ausland praktizieren. Beispiele sind Städte in Frankreich, Polen oder den Niederlanden. Ein erster Testlauf im vergangenen Jahr in Grunewald verlief auch sehr vielversprechend. Es ging um Fragen wie: Lassen sich die Kennzeichen auch dann noch ablesen, wenn die Autos schief oder eng beieinander geparkt sind? Eine weitere Komponente ist die juristische: Eine digitale Parkraumbewirtschaftung, wie wir sie anstreben, ist aktuell nicht erlaubt.

Woran hakt es denn rechtlich?

Es müsste die StVO geändert werden. Sie sieht zwar in ihrer derzeitigen Fassung schon digitale Bewirtschaftung vor – sonst wäre ja keine Ticketbuchung per Handy möglich. Aber lediglich als Zusatz, nicht als alleiniges Mittel. Ich bin jedoch guter Dinge, dass die erforderlichen Änderungen zeitnah erfolgen, schließlich sind sie Bestandteil des Koalitionsvertrags auf Bundesebene. Damit wäre ein weiterer kleiner Baustein für die Digitalisierung in Deutschland umgesetzt. Außerdem müssen wir das Thema Datenschutz beachten. Die Europäische Datenschutzgrundverordnung erlaubt die digitale Parkraumbewirtschaftung, aber das Bundesverfassungsgericht hat eigene Maßstäbe für Deutschland gesetzt. Hierfür bedarf es einer eigenständigen Rechtsgrundlage. Denn in der Tat werden ja Kfz-Kennzeichen erkannt und mit Datenbanken abgeglichen. Doch es geht nicht um die Erstellung von Bewegungsprofilen oder Ähnliches. Hier verschränkt sich das Technische mit dem Rechtlichen: Wir sind angehalten, die „datenärmste“ Variante zu wählen. Die Daten dürfen also nur zum bestimmten Zweck genutzt werden, sind im Anschluss sofort zu löschen etc. Wir gehen davon aus, dass die Gesetzgebungskompetenz hierfür beim Land liegt. Sobald die rechtlichen Grundlagen vorhanden wären, würden wir die nächsten Schritte vollziehen. Die Vorbereitungen innerhalb der Scan-Car-Geschäftsstelle dazu laufen ja auch schon, wie vorhin erwähnt.

Welche Möglichkeit bietet die digitale Bewirtschaftung, neben einer effektiven „Knöllchen“-Vergabe, noch?

In einem weiteren Schritt könnte auch verkehrswidriges Parken geahndet werden. Diese Zusatzmöglichkeit wäre mittelfristig sehr erfreulich. Beim Geo-Fencing via GPS-Ortung von E-Scootern, die angewendet wird, um das rücksichtslose Abstellen der Roller in den Griff zu bekommen, sieht man, dass es leider noch erhebliche räumliche Abweichungen gibt. Beim Einsatz von Scan-Cars bei Falschparkern wäre das meines Erachtens jedoch anders. Ich glaube aber ehrlich gesagt, dass wir noch einige Zeit benötigen werden, um verkehrswidriges Parken tatsächlich digital zu ahnden. Anzustreben ist das aus Gründen der Verkehrssicherheit aber auf jeden Fall.

Apropos: In einem Newsletter erwähnen Sie die „Vision Zero“. Was genau meinen Sie damit?

Gemeint ist das Ziel, dass es keine Toten und Schwerverletzten im Verkehr mehr gibt. Allein im Bezirk Mitte haben wir pro Jahr 3.000 Unfälle mit Personenschaden. Ganz überwiegend sind Fußgänger:innen und Radfahrende betroffen, vor allem Kinder und Ältere. Wir haben also ein Riesen-Sicherheitsproblem. Als öffentliche Hand haben wir den Schutzauftrag, den Menschen eine adäquate Infrastruktur zu bieten.

Was tun Sie zur Entschärfung der Situation?

Im vergangenen Jahr haben wir zum Beispiel 50 Kreuzungen mit relativ einfachen Mitteln sicherer gemacht. Es wurden Fahrradbügel dorthin gestellt, wo zuvor die ersten regulären Autoparkplätze waren. Auf diese Weise wird eine bessere Sicht vorm Überqueren der Kreuzung möglich. Und die Kreuzungen können nicht mehr illegal zugeparkt werden. Das trägt nicht nur zu einer erhöhten Sicherheit bei, sondern hilft auch der Verkehrswende: Je sicherer es wird, desto mehr Menschen nutzen das Rad und lassen das Auto stehen.

Zum Schluss noch einmal zum Parkraum: Was tun Sie, wenn die Auswertung des Modellprojekts im Sommer ergibt, dass die aktuell vorhandenen Flächen in Mitte weit unter dem tatsächlichen Bedarf liegen?

Die Erkenntnisse werden uns helfen, einen exakten Überblick zu bekommen. Aber wir werden natürlich schon wegen des begrenzten Platzes in Berlin-Mitte keinen neuen Parkraum schaffen können. Es ist vielmehr das Ziel der Verkehrswende in den Innenstadtbezirken, den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren. Steuern können wir das unter anderem über die Parkgebühren. Meines Erachtens nehmen Autos tatsächlich unverhältnismäßig viel Platz ein: Zwei Drittel des öffentlichen Straßenlandes in Berlin-Mitte sind für sie reserviert, obwohl nur jeder sechste Weg mit dem Auto zurückgelegt wird. Um dieses Missverhältnis aufzulösen, nutzen wir bestehenden Parkraum auch Schritt für Schritt anders: So erlauben wir Gastronomen, ihre Schankvorgärten permanent auf Parkbuchten zu erweitern. Nachbarschaftsinitiativen dürfen Straßenmöbel aufstellen und schaffen damit kleine grüne Oasen. Viele Baumscheiben im öffentlichen Raum müssen erweitert werden, damit sie vor allem im Sommer mehr Wasser aufnehmen können. Ebenso brauchen wir mehr Radstreifen mit besonderer Absicherung hin zum Autoverkehr. Für all diese Projekte werden wir öffentlichen Parkraum umwandeln.

Das klingt nach einem autofreien Berlin-Mitte …

Man wird in bestimmten Situationen wohl immer aufs Auto angewiesen sein, das ist ganz klar. Zum Beispiel wenn schwere Einkäufe zu transportieren sind oder man von Krankheit betroffen ist. Auch der ländliche Raum muss gesondert in den Blick genommen werden. Die Anbindung des Umlands ist eine zentrale Herausforderung – vor allem bei steigenden Mieten im Zentrum. Hier sind Maßnahmen wie „Park & Ride“ und Carsharing zu fördern.

Vielen Dank für den interessanten Einblick.

DR. ALMUT NEUMANN

studierte Rechtswissenschaften in Freiburg i.Br., Paris und London. Der „Licence en droit“, dem Juristischen Staatsexamen und dem Master of Laws (LSE) folgte das juristische Referendariat am Kammergericht Berlin sowie die verfassungsgeschichtliche Promotion an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ab 2018 war Neumann als Richterin in Berlin tätig, zuletzt als Richterin am Verwaltungsgericht Berlin. Seit 2021 ist sie in Berlin-Mitte Bezirksstadträtin für den öffentlichen Raum (Bündnis 90/Die Grünen) und damit zuständig für Ordnung, Umwelt, Natur, Straßen und Grünflächen.