Köln: 22.–23.05.2024 #polismobility

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Autonome Lastenräder auf Abruf in der Erforschung

Zweirad allein unterwegs

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Fällt die Begriffspaarung autonome Mobilität, ist schnell das Bild von futuristischen – elektrisch – motorisierten Vehikeln am Horizont. An Fahrräder oder Lastenräder denken wohl die wenigsten, wohl aber Forscherinnen und Forscher des Instituts für Mobile Systeme an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Im Projekt „AuRa - Autonomes Rad“ entwickelten und testeten sie ein Fahrradverleihsystem für dreirädrige, selbstständig – autonom –fahrende Lastenräder.

Die Idee: Das Rad kommt direkt zur Haustür, wenn man es braucht - und fährt nachher intelligent zum nächsten Einsatz. © Devina Manoeva/OVGU

Die Idee: Das Rad kommt direkt zur Haustür, wenn man es braucht - und fährt nachher intelligent zum nächsten Einsatz. © Devina Manoeva/OVGU

Das aus Mitteln der EU und des Landes Sachsen-Anhalt mit über vier Millionen Euro geförderte Forschungsprojekt feierte Mitte September 2022 nach drei Jahren Laufzeit seinen Abschluss. Beteiligt war ein interdisziplinäres Team von Studierenden und Wissenschaftler:innen aus den Bereichen Maschinenbau, Umweltpsychologie, Informatik und Logistik. Bis dato haben sie fünf Prototypen gebaut, die zeigen, dass auch Lastenräder autonom und sicher fahren können. Dabei handelt es sich um echte Roboterfahrräder mit zahlreichen Sensoren und Aktoren – sie lassen sich aber auch wie ein normales E-Lastenrad fahren.

In der Vision bestellt man das Lastenrad einfach per App zum eigenen Standort oder einer Station des ÖPNV, wenn etwas (oder jemand) transportiert werden soll. Man wartet, bis es selbst zum Startpunkt gefahren kommt, und übernimmt dann selbst die Steuerung. Braucht man es nicht mehr, fährt es selbstständig zum nächsten Auftrag, zu einer Warteposition oder zum Nachladen. Dabei orientieren und bewegen sich die Räder selbstständig auf ausgewiesenen Radwegen und verhalten sich gemäß der Straßenverkehrsordnung. „AuRa“ nennt das die nächste Generation der Fahrradverleihsysteme, die eine flexible Tür-zu-Tür-Mobilität ermöglichen und für die Betreiber effizienter als bisherige Bikesharing-Systeme sein soll.

Die Räder eignen sich nicht nur für Pakete, sondern sind auch mit zwei Kindersitzen ausgestattet. © Hannah Theile/OVGU

Die Räder eignen sich nicht nur für Pakete, sondern sind auch mit zwei Kindersitzen ausgestattet. © Hannah Theile/OVGU

Die Prototypen legten bislang über 1.000 km auf Testfahrten in abgegrenzten Bereichen zurück, um Daten zu sammeln. Mit Kameras und Lidaren ausgestattet können die Drahtesel eigenständig die Umgebung erfassen und entsprechend reagieren. Dabei wurden mehrere Szenarien durchgespielt, so etwa die Überquerung einer Straße, Hindernisse auf Fuß- oder Radwegen und Abbiegen an einer großen Kreuzung. Auch in einer Umfrage ermittelten die Forscher die Meinung von Passanten und potenziellen Nutzer:innen. Das Forschungsteam leistete nicht nur mit der Konstruktion der autonomen Lastenräder Grundlagenarbeit, sondern untersuchte auch betriebliche, rechtliche und psychologische Fragestellungen. Die Erkenntnisse aus der Akzeptanzuntersuchung, die unter anderem in einem Testlabor mit einem 3-D-Modell des Stadtverkehrs in Magdeburg durchgeführt wurde, zeigten etwa, dass die Menschen dem Thema positiv gegenüberstehen und ein Rad ohne Fahrer:in nicht als bedrohlich empfinden. Ein Team aus der Logistik modellierte, wie das neue Mobilitätsangebot in Magdeburg genutzt werden könnte. Es wurde untersucht, wie sich verschiedene Betriebsmodi, Servicegebiete und Flottengrößen auf die Verfügbarkeit oder die Wirtschaftlichkeit auswirken könnten.

Bis zu einer entsprechenden Straßenzulassung kann es allerdings noch etwas dauern. Projektleiter Prof. Stephan Schmidt schätzt, dass das System frühestens in rund sieben Jahren aus dem Forschungscampus heraus in die Stadt übertragen werden könne – unter der Voraussetzung, dass die Technik kleiner, leichter und kostengünstiger wird. Die Rechtslage spielt dabei ebenso eine Rolle, denn aktuell muss jederzeit ein Mensch eingreifen können, um das Rad anzuhalten. Magdeburgs Oberbürgermeisterin wies auch darauf hin, dass es in der Stadt derzeit noch nicht genug Parkflächen für Lastenräder gebe, wie sie ein solches System benötige. Das Forschungsprojekt erhielt nach Auslaufen der bisherigen Förderung eine Folgezuwendung aus Landesmitteln, zunächst bis Ende 2023. Ziel der neuen Projektphase soll es sein, ein standardisiertes „Hirn“ für die autonom fahrenden Räder zu entwickeln. Außerdem soll die Verwendung in der Logistik der letzten Meile untersucht werden. Tom Assmann von der Universität strebt an, einen Prototyp bald auch unter Realbedingungen im Magdeburger Stadtverkehr zu testen. Mit Unternehmenspartnern will das Team die autonomen Lastenräder möglichst bald zur Marktreife bringen. „AuRa“ könnte einen weiteren Schritt auf dem Weg hin zu flexibler, kostengünstiger sowie ressourcenschonender, emissionsfreier und nachhaltiger Mobilität aufzeigen.

Autorin

Csilla Letay