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Schweizer Verkehrsplaner, Referent, Aktivist

Fünf Fragen an Thomas Hug

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Im Gespräch mit dem Schweizer Verkehrsplaner Thomas Hug. Als Verfechter der Verkehrswende spricht er über strategische Ansätze für inklusivere und umweltfreundlichere Städte. Trotz gelegentlicher Aussichtslosigkeit inspirieren ihn Geschichten von Menschen, die auf das Auto verzichten und positive Veränderungen in Städten vorantreiben. Ein Gerichtsurteil in Zürich unterstreicht: Es gibt kein Menschenrecht für den autozentrierten Status Quo. Hug bleibt optimistisch und setzt sich für eine zukunftsfähige Mobilität ein.

Portraitaufnahme von Thomas Hug

© Thomas Hug

1. Welche vergangenen oder aktuellen Stadtexperimente oder Verkehrsversuche unter Ihrer Beteiligung sind Ihnen besonders wichtig?

Momentan arbeiten wir mit verschiedenen Städten in der Schweiz daran, sogenannte Superblocks umzusetzen: Da wird das Straßensystem so umorganisiert, dass der Verkehr statt durch die Quartiere hindurch um diese herum fließt. Das gibt Platz für neue Nutzungen im Straßenraum der Quartiere, die nicht mehr auf das Auto, sondern auf die Menschen fokussiert sind. So werden die Straßen komplett umgedacht. Ich freue mich besonders auf die Umsetzung dieser Projekte. Das wird für viele Städte einen echten Wandel bringen.

Aber ich erinnere mich auch an einen Versuch in einer kleinen, eher ländlichen Gemeinde im Kanton Bern: Die Gegend um den Bahnhof dieser Gemeinde war eher unattraktiv – eine große Asphaltwüste mit Parkplatz und Bushof. Einen kleinen Teil der Parkplätze wollten wir testweise mit Sitzgelegenheiten, Spielinseln und Schattenspendern umrüsten. So sollte der Bahnhof vermehrt auch zum Begegnungsraum für die Menschen werden. Doch obwohl sich die Gemeinde in allen Konzepten Mut groß auf die Fahne geschrieben hatte, war der Mut innert weniger Tage weg, als erste kritische Stimmen laut wurden. Solche Experimente bringen immer Kritik mit sich, egal wie gut die Vorbereitung war. Darauf müssen alle Beteiligten sehr gut vorbereitet werden.

2. Als Verfechter der Verkehrswende und nachhaltiger Mobilität: Welche strategischen Ansätze sehen Sie, um Städte inklusiver und umweltfreundlicher zu gestalten, und wie können diese umgesetzt werden?

Straßenräume müssen ganzheitlicher gedacht werden: nicht mehr nur als Transporträume, um von A nach B zu gelangen, sondern auch als Lebensräume, um sich aufzuhalten. Heute arbeitet die Verkehrsplanung – offensichtlich – meist mit Verkehrsinfrastrukturen. Stattdessen sollten wir das Berufsfeld weiter denken und in Zukunft auch an der Versorgungsinfrastruktur arbeiten. Denn wenn ich nur wenige 100 Meter zur nächsten Einkaufsmöglichkeit gehen muss, bin ich auch weniger auf das Auto angewiesen. So können Städte attraktiver werden und auf kurze Wege umsatteln – was Platz auf den Straßen schafft für die Menschen, die wirklich auf das Auto angewiesen sind.

3. Sie bewegen sich ständig am Grat zwischen Arbeit und Aktivismus. Wie finden Sie die Balance zwischen beruflicher Verantwortung und Ihrem persönlichen Engagement für eine bessere Mobilität?

Das ist wirklich eine Gratwanderung, allerdings versuche ich beruflich auch nicht ein anderer Mensch zu sein. Schlussendlich weiß unsere Kundschaft auch, wie unsere Ideale aussehen. Diese versuchen wir auch in unseren Projekten zu leben – auch wenn wir hier manchmal auch eine Politik der kleinen Schritte akzeptieren und pragmatische Lösungen finden müssen. Aber schlussendlich ist mein Beruf nur eine spezielle Form des Aktivismus. Und ich bin unglaublich froh darüber, dass wir die Chance haben, Projekte zu bearbeiten, die zukunftsfähig sind und meine Arbeit nicht von fremden Interessen gesteuert wird. Wer eine neue Autobahn bauen möchte, weiß, dass wir dafür nicht die richtige Anlaufstelle sind.

4. Welche Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf die Umsetzung menschenzentrierter Verkehrs- und Raumplanung, und wie kann diese Fachrichtung besser in den Städten verankert werden?

Inklusive und menschenzentrierte Städte erfordern vor allem die Bereitschaft, die eigene Perspektive zu hinterfragen. Nicht was ich denke, ist am wichtigsten. Stattdessen muss das Gemeinwohl im Zentrum stehen und alle , die im Straßenraum mehr Aufmerksamkeit brauchen – zum Beispiel spielende Kinder, Menschen mit Behinderungen und alle, die Straßen nicht einfach nur zum Autofahren nutzen. Das bedeutet de facto auch eine „Entingenieurisierung“ der Verkehrsplanung. Nicht mehr Modelle, Normen und Zahlen sollen im Vordergrund stehen, sondern Menschen und Gefühle. Das Berufsfeld wird sich so wandeln und auch die Ausbildung muss hier nachziehen. Als Abgänger einer technischen Hochschule gibt es auch für mich noch viel zu lernen in diesem Feld.

5. Trotz gelegentlicher Aussichtslosigkeit behalten Sie den Willen für eine gute Zukunft. Welche inspirierenden Erlebnisse, Erfahrungen, Menschen oder Entwicklungen haben Ihre Überzeugung gestärkt und Ihre Arbeit vorangetrieben?

Immer wieder spreche ich mit Menschen, die mir ihre Geschichten erzählen, wie sie versuchen vom Auto loszukommen. Kürzlich im Zug hatte ich eine Begegnung mit zwei Pensionären, die ihr Auto verkauft haben, nachdem sie das ganze Leben lang damit gefahren sind. Und sie schwärmten nur so von der Freiheit, die sie mit ihrem Generalabonnement – dem Schweizer Pendant zur Bahncard 100 – gewonnen haben. Eine Mutter erzählte mir, dass sie zwar in einer ländlichen Gemeinde wohne, aber die Leute beneidet, die den Tagesablauf ohne Auto hinkriegen. Solche Geschichten berühren mich und zeigen auch, dass wir den autogerechten Status Quo nicht einfach akzeptieren müssen. Kürzlich ist auch ein Gericht in Zürich zu einem ähnlichen Schluss gekommen. Es musste sich mit einem Parkplatz-Abbau befassen, der von Anwohnenden und einzelnen Gewerbetreibenden angefochten wurde. Es kam zu einem ähnlichen Schluss: Es gibt kein Menschenrecht für den autoorientierten Status Quo.

Autorin

Janina Zogass