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Wie Erlangen zum kostenlosen Nahverkehr kam

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Seit Jahren verfolgt Erlangen einen Weg, der den Nahverkehr in der Innenstadt attraktiver machen soll. Seit dem Jahreswechsel ist die ganze Innenstadt eine fahrscheinlose Tarifzone. Eine Chronik über die Hintergründe.

Zwei moderne Busse auf einem Parkplatz, Heck beklebt dem Schriftzug „Ich fahr dich gratis* mit 100% (Grünstrom)“, vorne in der Anzeige 299 CityLinie.

© ESTW

Im Juli 2023 berichteten Medien deutschlandweit über die Einführung des „kostenlosen Nahverkehrs“ in Erlangen. Der Stadtrat hatte am 29. Juni einstimmig beschlossen, dass alle 20 Buslinien an 14 Haltestellen im Innenstadtbereich ohne Fahrschein genutzt werden können. Ein ähnliches Modell wurde bereits Anfang 2020 in Augsburg eingeführt, wo neun Innenstadthaltestellen zur kostenlosen „City-Zone“ gehören.

Die Absichten hinter den Plänen gleichen sich: den Nahverkehr in der Innenstadt attraktiver zu machen, um dort den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren. Der Erlanger Oberbürgermeister Florian Janik erklärt in der Stadtzeitung: „Wir wollen Busfahren in der Innenstadt so einfach und bequem wie möglich machen.” Davon sollen letztendlich auch der Einzelhandel profitieren. In Erlangen ist hier besonders die nördliche Altstadt im Visier. Die Stadt möchte damit den Umstieg vom Auto in den Bus fördern – denn in Erlangen gibt es einen Großparkplatz mit Autobahnanschluss direkt am Bahnhof. Auf der anderen Seite der Bahnstrecke liegt die Innenstadt.

Vom Aktionsbündnis in die Politik

Um die Innenstadt ging es auch dem Aktionsbündnis „Verkehrskonzept Erlangen“, einem Zusammenschluss von Verkehrs- und Anwohner:innenvereinen. Im Oktober 2017 brachten sie einen Vorschlag für eine neue Batteriebuslinie in die Stadtpolitik ein, die den ÖPNV in der Innenstadt ergänzen soll. Das Ziel: bessere Lebensverhältnisse in der Innenstadt und eine bessere Anbindung des Großparkplatzes sowie der Uniklinik auf der anderen Seite der Innenstadt.

Anfang 2019 beschlossen die zuständigen Gremien der Stadt, den Plan weiterzuverfolgen und beauftragten die Stadtwerke (ESTW) mit der Planung. Diese erarbeiten ein Konzept mit zwei Linienvarianten, in der ersten Stufe als „KlinikLinie“ und in der zweiten als „CityLinie“ bezeichnet. Die Stadt Erlangen sollte die Kosten für das Projekt tragen, über eine Beteiligung des Klinikums wurde diskutiert. Gleichzeitig wurden Förderanträge gestellt.

Im Juni 2020 wurde der Plan vom Stadtrat genehmigt, zunächst als einjähriger Probebetrieb im 10-Minuten-Takt. Am 18. Januar 2021 fuhr die neue Linie 299 erstmals durch Erlangen, anfangs mit konventionellen Kleinbussen. Das Aktionsbündnis zeigte sich zufrieden: „Wir freuen uns, dass jetzt mit der ‚Klinik-Linie‘ ein Teil unserer Idee fast 1:1 umgesetzt wurde“, schrieb es in einer Pressemitteilung. Anfangs war die Resonanz jedoch verhalten: In den Medien wird sie als Geisterlinie bezeichnet, weil sie abseits der Schichtwechsel oft leer durch die Stadt fährt. Inmitten der Coronapandemie wurde die geringe Anzahl von 250 Fahrgästen pro Tag jedoch nicht als besonders aussagekräftig bewertet.

Vom Probebetrieb zum Pilotprojekt

Die Verantwortlichen entschieden sich daher erneut für das Projekt und verlängerten die Laufzeit des Projekts um ein weiteres Jahr. Die Linie sollte aber besser beworben werden – und kostenlos nutzbar sein. Dafür wurde zum Jahresanfang 2022 ein kostenloser Kurzstreckentarif für die Klinik-Linie eingeführt. Nach dem Gleichbehandlungsprinzip in der Verbundgemeinschaft muss der kostenlose Tarif auch für die anderen Linien im Bereich gelten, und so war der Weg zur kostenlosen Innenstadtzone schon im Juli 2021 beschlossene Sache. Weil dafür viel abzusprechen war, verzögerte sich die Umsetzung jedoch. Ein Jahr später beschloss der Stadtrat, den kostenlosen Verkehr frühestens zum Fahrplanwechsel 2023 einzuführen. Im selben Beschluss stimmte der Rat der nächsten Stufe der Linienkonzeption zu, obwohl die Batteriebusse aufgrund von Lieferproblemen noch auf sich warten ließen. Bei der finalen Abstimmung, wiederum ein Jahr später, erhielt das Projekt große Aufmerksamkeit. Erlangen wird den kostenlosen Nahverkehr als fahrscheinlose City-Zone für alle einführen, ähnlich wie in Augsburg oder bei der kostenlosen Straßenbahnlinie in der Innenstadt von Neuss. Im Gegensatz dazu ist in Monheim am Rhein die Nutzung des ÖPNV nur für die Bürger:innen kostenlos.

Wenig überregionale Aufmerksamkeit bekam die Umstellung der Klinik-Linie 299 zur CityLinie 299 im Ringbetrieb. Am 10. Dezember nahmen die ESTW mit den inzwischen eingetroffenen sieben batterieelektrischen Midibussen den Betrieb auf. Das kostenlose Fahren gilt seit Anfang 2024, zunächst für drei Jahre und wird begleitend ausgewertet. Die Stadt trägt bis dahin die Mehrkosten.